Donnerstag, 15. Oktober 2015

Von Spatzen und Tauben im Schach

GM Mednis schreibt in seinem Buch „Vom Mittelspiel zum Endspiel“, dass man sich oft – zum eigenen Nachteil - mit dem Spatzen in der Hand begnügt und die Taube auf dem Dach entkommen lässt. Was er am folgenden Beispiel dann demonstrierte


Mednis -Romanischin
(Riga 1979)
Weiß bot hier kurz vor der Zeitkontrolle ein Bauernopfer an, was Schwarz dann auch akzeptierte

38. … exf4 39. Sxf4 Sxf4 40. Txf4 T6xc6 41. Ta4



Schwarz hat in dem nun entstandenen Doppelturmendspiel zwar gewisse praktische Gewinnchancen, aber es hat doch eine hohe Remiswahrscheinlichkeit. Der Mehrbauer ist schwer zu verwerten.

Genau dies meint Mednis, wenn er vom Spatzen in der Hand spricht. Er hatte seinem Gegner einen Mehrbauern in einem remisverdächtigen Endspiel angeboten, was dann am Ende tatsächlich auch in einem Remis endete.

   Statt sich mit dem Spatzen in der Hand zu begnügen hätte er Jagd auf die Taube auf dem Dach machen sollen. Und zwar mit
38. … e4! 39. T1c1 Td2! 40. T4c2 Txc2 41. Txc2 Ke7!


Nun geht der e-Bauer eh verloren und Schwarz wird mit einem gedeckten Freibauern (als Mehrbauern) verbleiben. Er muss auch keinen Springertausch fürchten, weil solche Turmendspiele eine hohe Gewinnwahrscheinlichkeit haben
   Soll man aber nun grundsätzlich den Spatzen in der Hand verschmähen? Das möchte ich keineswegs behaupten. In den folgenden Beispiel nahm Schwarz (GM Sokolov) den Spatz in der Hand und gewann


Schwarz hatte hier ein Druckspiel gegen die Schwäche d3 aufgebaut und nach klassischem Verständnis wäre es nun angesagt eine zweite Schwäche am Königsflügel zu erzeugen. Beispielsweise mit dem dem Bauernsturm g5-g4, h5-h4 + g3. Dies wäre die Taube auf dem Dach gewesen und ich bin mir recht sicher, dass Sokolov auch da zum Erfolg gekommen wäre. Aber er entschloß sich zu einem anderen Weg:

14… e4 15. dxe4 Lxe4 16. Sf3 Sxc3 17. bxc3 h6 18. Txd6 Txd6 19. Td1 Txd1 20. Dxd1 b6 21. Da4 Sa5



Bei materiellem Gleichstand verließ sich Schwarz auf seine bessere Bauernstruktur und die 3:2 Bauernmehrheit am Damenflügel. Dieser mag dem ein oder anderen als im Gewinnsinne etwas zu vage erscheinen. Aber Sokolov reichte dieser Spatz in der Hand! Wie er den Vorteil zum Gewinn verdichtete, kann man hier sehen: (anclicken)
   Was lautet nun das Fazit? Besser doch lieber den Spatz in die Hand nehmen? Letztendlich wird man immer abwägen müssen und seine eigenen Erfahrungen mit diesem Thema sammeln müssen!

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Die Gunst der Stunde nutzen

Wer kennt das nicht aus dem eigenen Leben und den eigenen Schachpartien? Man hat einen günstigen Moment ungenutzt verstreichen lassen und muss damit - man mag es noch so sehr im Nachhinein bedauern - auch leben.

In der folgenden Stellung 


Ortueta -Sanz (Madrid 1934)

erkannte und nutzte allerdings der Schwarzspieler  die sich ihm bietende "Gunst der Stunde" und spielte:
31. ... Txb2!!

So ging es weiter: Die Gunst der Stunde genutzt (anclicken)