Montag, 28. Mai 2012

Eine Linienöffnung brachte die Entscheidung!









Smyslow-Ribli









In dieser Stellung scheint Weiß leichte Vorteile zu haben aufgrund einer zentraleren Königsstellung und der 3:2 Bauernmehrheit am Damenflügel. 


___________________________________________________________________


Ein reines Bauernendspiel mit den Königen auf d4 und d6 würde Weiß gewinnen.





1.c5!
Der entscheidende Durchbruch am Damenflügel beginnt
 

1... bxc5 2. Kc4 e5
Der gegnerische Durchbruch ist zu langsam
 

3. fxe5 Kex5 4. Kxc5! g5 5. a5 f4 6. b6
und der Bauer wird das Wettrennen gewinnen und mit Schach einziehen




______________________________________________________ 

37. a5!
Ein sehr sinnvoller Vorstoß. Der Bauer ist mehr oder weniger tabu, da
ansonsten der c-Bauer Flügel bekäme.
 
37. ... Sc5
Der Versuch eines aktiven Gegenspiels mittels 37. ... Td2 wäre nicht zu
empfehlen gewesen. Nach 38. c5! bxc5 29. Txc5 gerät Schwarz auf jeden Fall in ein schlechteres Endspiel
 
38. a6!           
     

                                                       





Diese Festlegung des a7- Bauern ist sehr sinnvoll (Erste Schwäche). Da der weiße Springer ihn über c6 ganz schnell attackieren kann, ist der schwarze Turm nun an dessen Verteidigung gebunden.
 

38. ... Kg7 39. Tc2!
Ein weiterer Nadelstich! Nun droht Td2 und Schwarz hätte danach die Wahl zwischen „Pest“ und „Cholera“. Entweder er tauscht die Türme und gerät in ein verlorenes Springerendspiel oder er muss Weiß die Turmlinie überlassen
 

39. ... Se4
Dies verhindert zwar Td2, aber von nun an ist der Springer an das Feld e4 gebunden. Ansonsten käme Td2 


Hier nun ist die Partie an einen ganz entscheidenden Punkt angelangt. Wie
soll Weiß nun fortsetzen? Recht naheliegend scheinen Durchbruchversuche
mit Sd3 und c5 zu sein, alternativ auch mit Sc6 und c5. Und es mag vielleicht auch wirklich funktionieren. 


Aber Weiß hat eine viel einfachere Möglichkeit. Er schafft am Königsflügel eine zweite Schwäche (die erste Schwäche ist natürlich der Bauer a7)
 

40. g4! Kf6 41. g5! +
Der g6- Bauer wird festgelegt, so dass Schwarz einer Öffnung der h-Linie
nicht mehr durch g5 ausweichen kann
 

41. ... Kg7
Wenn jemand hier stattdessen mit 41. ... Sxg5? geliebäugelt haben sollte, so
wird er mit Punktabzug bestraft. Nach 42. Sc6! wären zwei Figuren
angegriffen
 

42. Sc6 Td7 43. Tg2 Kf8 44. h4! 




 44. ... Ke8 45. Th2 Kf8 46. h5!
Die Linienöffnung steht nun unmittelbar bevor
Weiß ist am Ziel seiner Träume! Nun wird die h-Linie aufgehen. 

____________________________________________________________________

Nur am Rande sei erwähnt, dass Schwarz mit 45. ... Sg3 46. h5 hätte verhindern
können. Dann aber hätte der Durchbruch 46. Th3 Sh5 47. c5!! zum Ziel
geführt hätte:








 ______________________________________________________________

46. ... gxh5 47. Txh5 Kg8 48. Th1 Kg7 49. Se5 Td8 50. Th6 Td6 

















                                                                                                                                                             Der weiße Vorteil steht außer Frage. Der Bauer a7 ist eine permanente
Schwäche geblieben. Und durch den Zugewinn der halboffenen h-Linie für
den weißen Turm sind nun auch die Bauern e6 und h7 schwach geworden.
Wiederum am Rande sei erwähnt, dass auch 48. ... Kg7 49. hxg6 hxg6 50.
Se5 Td8 51. Th6! nicht geholfen hätte

51. Ke2
Offensichtlich will Weiß eine Zugzwangsituation herstellen. Zieht der Turm,
fällt e6. Zieht der Springer wäre Tf6 oder vielleicht auch der Durchbruch c5
möglich. Zieht der König würde g6 eine Option werden. Aber erhätte natürlich
auch sofort 51. Sc6! spielen können. Nach 51. ... Td7 52. Txe6 bliebe Weiß
mit einem Mehrbauern und gutem Figurenspiel am Drücker
 

51. ... Sc3+ 52. Ke1 Td1+ 53. Kf2 Td4 54. Kf3 Td6 55. Tf6!
Die schwarze “Scheinaktivität” hat nun dazu geführt, dass der Turmeinbruch
auf der siebten Reihe nicht mehr zu verhindern ist.
 

55. ... Kg8 56. Tf7! Td3+
Sollte sich Schwarz wirklich auf diesen Trick verlassen haben? 



















                                                                                                                                                              57. Sxd3! 
Das Springerendspiel ist gewonnen, da der a7-Bauer forciert verloren geht:
57. ... Kxf7 58. Se5+ Ke8 59. Sc6 +-
Deshalb gab Schwarz hier auf!

1-0

Partie im Pgn-Viewer: Linienöffnung


Resümee:
Weiß gewann die Partie, weil er nach Festlegung der ersten Schwäche
(Bauer a7) am Königsflügel daran ging, eine Linie für seinen Turm zu öffnen.
Dieses Prinzip der Schaffung einer zweiten Schwäche führt in den meisten
Fällen zum gewünschten Erfolg. Insbesondere dann, wenn die beiden
Schwächen weit auseinander liegen

 

Samstag, 12. Mai 2012

Ungleichfarbige Läufer sind nicht immer Remis


In dem folgenden Beispiel  Karpov nicht verhindern können, dass sein Gegner in ein Remisendspiel mit ungleichfarbigen Läufern einlenkt hatte. Aber er spielte unverdrossen weiter! Und tatsächlich, sein Gegner spielte ungenau und verstieß gegen wesentliche Endspielprinzipien. So das Karpov diese Partie letztlich doch noch gewinnen konnte.


Llubojevic – Karpov ( Mailand 1975)

Durch eine kleine Unachtsamkeit hat sich Weiß in eine etwas unangenehme Lage gebracht. Er kann seien Le3 nicht vor dem Abtausch retten ohne dabei einen Bauern zu verlieren. Es droht nämlich 22... .Lb1 23. a3 Lc2! mit Bauerngewinn. Aber was wäre die Alternative? Nach 22. Sc3 Sxe3 23 fxe3 Kf7 

Analysediagramm

 
stünde dem Weißen ein schwieriges Endspiel bevor. In Endspielen mit beweglichen Bauern auf beiden  Flügeln ist der Läufer dem Springer überlegen. Hinzukommen die beiden weißen Bauernschwächen; der Bauer auf e3 und der Doppelbauer.

Und so entschied Weiß richtigerweise in ein ungleichfarbiges Läuferendspiel mit einem Minusbauern einzulenken

3.Ld2 3...Lb1 4.a3 Lc2 5.Se3 Sxe3 6.Lxe3 Lxb3 

 
 
Diese Stellung sollte aufgrund der ungleichfarbigen Läufer eigentlich mit einem Remis enden. Wobei der entsprechende Remisplan eigentlich recht simple ist:
Weiß stellt alle Bauern auf die Farbe des eigenen Läufers und blockiert dann mit König und Läufer den Vormarsch des gegnerischen Mehrbauern.

Die ideale Auffangstellung sähe in etwa so aus:





Um so erstaunlicher mutet es an, dass Karpov diese Partie noch gewann. Sein Gegner spielte recht sorglos und entfernte sich immer mehr von der idealen Auffangstellung

8.f3?! 

Eine erste Ungenauigkeit. Es entzieht dem Le3 die sichere Basis

8...Kf7 9.Lf4 c6 10.Ld6 




Weiß "kurvt" mit dem Läufer umher, anstatt den König in die Mitte zu bringen

10...Ke6 11.Lf8 g6 12.Kf2 a5 13.Ke3 b6!

Schwarz stellt die Bauern schwarzfeldrig und sperrt so den Lf8 halbseitig ein  
14.h4 c5! 15.g4? 
15. ....Ld1! 
Diese Chance lässt Schwarz sich nicht entgehen. Nun ist erst einmal der weiße König an den Bauern f3 gebunden. Ein Folge des Verstoßes gegen eines der Grundprinzipien in solchen Endspielen. Die eigenen Bauern gehören auf die Farbe des eigenen Läufers.

16.Ke4 a4 17.h5 gxh5 18.gxh5 f5+ 19.Ke3 Kd5!








20.h6 Kc4 21.f4 
Endlich stehen alle weißen Bauern auf der richtigen Farbe. Aber nun wird der Damenflügel zum Problem
21...Kb3 22.Lg7 Kc2! 

Schwarz erlaubt nicht, dass der König mit Attacke auf den Ld1 nach c1 gelangt. 22...b5? 23.Kd2! Lf3 24.Kc1 Nun kann der Läufer im Kampf gegen den Vormarsch der schwarzen Bauern mithelfen 24...b4 25.axb4 cxb4 26.Lf8 a3 27.bxa3 bxa3 28.Le7 a2 29.Lf6

 Analysediagramm

Es gibt kein Weiterkommen für Schwarz. Zurück zur Partiefortsetzung:


23.Le5 Lh5

Der Läufer wird nun erst einmal auf ein besseres Feld gebracht

24.Lf6 Lf7 25.Le5 Lb3!



Bevor Karpov hier nun den entscheidenden Durchbruch startet, hat er seine beiden Figuren erst einmal "hilfreich" postiert. Der Lb3 verhindert, dass Weiß unter Umständen ben eigenen b-Bauern opfert, um mit seinem Läufer die Kontrolle über a1 zu gewinnen 
26.Lg7 b5!

Nun geht es los!

27.Lf8

[27.Lc3 b4! 28.axb4 cxb4 29.Lxb4 Kxb2 und der a- Bauer wird den Läufer kosten]


 27...c4!

Nur so!

[27...b4 28.Lxc5 Kxb2 29.Lxb4=; 27...Kxb2 28.Lxc5=]

28.Lg7 b4!

 


Der Durchbruch hat begonnen! 

29.Kd4

[29.axb4 c3! 30.Lxc3 (30.bxc3 Lc4! Ein wichtiger Sperrzug.. Nun ist der a-Bauer nicht mehr aufzuhalten 31.b5 a3 32.b6 a2 33.b7 a1D 34.b8D Dg1+ 35.Kf3 Ld5+ 36.Ke2 Dd1+ 37.Kf2 Df3+ 38.Ke1 Lc4) 30...a3 31.bxa3 Kxc3 32.b5 La4 33.b6 Lc6 34.a4 Lb7 35.a5 La6 Zugzwang 36.Kf3 Kd3 37.Kg3 Ke3 38.Kh4 Kxf4+-]
29...c3!

Der entscheidende Durchbruch!


30.bxc3 bxa3 31.c4 a2 32.Kc5 Kb1

Nun kostet das den Läufer

33.Kb4 a1D 34.Lxa1 Kxa1 35.c5 Kb2 36.c6 a3 37.c7 Le6 38.Kc5 Lc8  



Hier gab Weiß reichlich spät die Partie auf!

0-1

Hier die Partie im PGN-viewer:



Resümee: Weiß ging richtigerweise in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern über, verstieß aber gegen grundlegende Prinzipien und verlor folgerichtig  


Freitag, 11. Mai 2012

Entfernter gegen gedeckter Freibauer





Zwar hat Weiß auch in diesem Beispiel den entfernteren Freibauern, aber diesmal wird der gegnerische Freibauer zuverlässig durch den e6-Bauern geschützt. Der schwarze König kann sich ganz dem entfernten Freibauern widmen.
1. Kc3!
Weiß ist gut beraten, hier keine zweifelhaften Gewinnversuche zu starten. In die Fernopposition (3 Felder zwischen den Königen) zu gehen
1. ... Kb6 2. Kb4
Nun dreht Schwarz den Spieß um und lenkt den weißen König von dem entfernten Freibauern ab.
2. ... d4! 3. Kc4 d3 4. Kxd3 Kxb5
Schwarz hat jetzt die Oberhand. Der e5-Bauer geht nun auch noch verloren
5. Kd4 Kb4 6. Ke4 Kc4 7. Ke3 Kd5 8. Kd3 Kxe5 9. Ke3!




Glücklicherweise, aus weißer Sicht gesehen, handelt es sich hierbei um ein theoretisches Remisendspiel

Setzt man allerdings den gedeckten und den entfernten Freibauern weiter auseinander, so nimmt Ersterer an Stärke zu

1. Kb4 Kb7 2. Kb5 Ka7 3. Kc5!
Der Kampf um den a-Bauern ist sinnlos, da der König niemals das Feld a4 betreten darf (Quadratregel)
3. ... Ka6 4. Kd5 Kxa5 5. Ke5 Kb5 6. Kf6!
Abwarten würde nicht helfen
6. ... f4 7. Kxg6 f3 8. Kh7 f2 9. g6 f1D 10. g7


Unglücklicherweise, aus weißer Sicht gesehen, handelt es sich hierbei um ein theoretisch verlorenes Endspiel

Im PGN-viewer: Entfernter gegen gedeckter Freibauer

Resümee:
Ein gedeckter Freibauer ist einem entfernten Freibauern zumindest im Bauernendspiel leicht überlegen. Um so mehr Raum zwischen ihnen liegt, um so deutlicher tritt dies zu Tage

Mittwoch, 9. Mai 2012

Der Freibauer . eine Einführung

                     


Ich möchte einen „Mitspieler“ vorstellen, der gar nicht so selten in unseren
Schachpartien auftaucht: Der  Freibauer.

Ein Freibauer ist ein Bauer, der freie Bahn hat. Das heißt, dass weder auf seiner Linie noch auf den beiden benachbarten Linien ein gegnerischer Bauer sein Fortkommen behindert.
So wie im folgenden Beispieldiagramm:
 



Der weiße d-Bauer erfüllt die oben genannten Kriterien und ist somit ein Freibauer. Aber auch Schwarz hat das Potential für einen Freibauern. Seine 2:1 Bauernmehrheit am Damenflügel ist ein sicherer Garant für eine Freibauernbildung.
1. .... Kf8 2. Kf1 Ke7 3. Ke2 Kd6 4. Kd3 Kd5



Nach der üblichen Zentralisierung der Könige ist der weiße Freibauer blockiert.  Aber hat ja noch einen potentiellen Freibauern in petto.

5. f3 b5 6.a3 a6!

Eile mit Weile!

7. Kc3 a5! 

Durch dei kleine Verzögerung hat Schwarz erreicht, dass nun der weiße König auf dem falschen Fuße erwischt wird. Es bleibt im nichts Anderes übrig, als die Kontrolle über das Feld b4 aufzugeben.

8. Kd3 b4! 9. axb4 axb4 



Nun haben beide Seiten einen Freibauern. Aber im Verhältnis zu den übrigen Bauern am Königsflügel hat Schwarz den entfernteren Freibauern. Und dies erweist sich als ein entscheidender Vorteil!

 10. Ke3 b3!  11. Kd3 b2 12. Kc2 Kxd4 13. Kxb2 Ke3 -+

Der König kann nicht mehr am Abräumen des Königsflügels gehindert werden.
                                               
                                                      0-1

Im PGN-Viewer:  Der Freibauer 1